Farbenlehre in der Food Fotografie

Die Farbenlehre ist ein komplexes Gebilde. Farben haben bereits seit Jahrhunderten Vor- und Querdenker fasziniert. Egal ob aus künstlerischer, physiologischer, psychischer Sicht oder aus der Brille der Physik betrachtet, alle Gebiete haben Vertreter hervorgebracht, die sich intensiv mit Farbe, der Farbenlehre und Farbforschung beschäftigt haben. Zu ihnen zählen Persönlichkeiten wie Isaac Newton, Leonardo da Vinci, Johann Wolfgang von Goethe, Johannes Itten, Harald Küppers und viele weitere.

Entstanden sind unterschiedliche Modelle und Betrachtungsweisen von “Farbe”. Für die Food Fotografie ist es aus unserer Sicht nicht erheblich, bis in das letzte Detail der Farbenlehre vorzudringen und alle Modelle zu kennen. Wir möchten dich daher mit den wichtigsten Leitfäden und Hilfsmitteln ausstatten. Auf diesem Weg hast du zusätzliche Werkzeuge an der Hand, um deine Bilder bewusst zu gestalten. Im Großen und Ganzen werden wir uns aber an der Farbenlehre und den Farbkontrasten nach Johannes Itten orientieren.

Itten ist Begründer der Farbtypenlehre und stellte auf Grundlage der Idee seines Lehrers Adolf Hölzel eine eigene Farbenlehre inkl. der Theorie der “sieben Farbkontraste” auf. Während die Farbtypenlehre die Grundlagen für Typ- und Stilberatungen legte, beschreibt seine Farbenlehre die Abhängigkeit und Beeinflussung von Farben untereinander. Wir sprechen an dieser Stelle also auch von “Harmonielehre”.

Farbkreis nach Ittens - Quelle: Wikipedia


Dieser Farbkreis kommt dir vielleicht noch bekannt vor. Sicherlich hast du ihn in der Schule das ein oder andere Mal gesehen. Er beschreibt die Grund-, Sekundär- und Tertiärfarben. In der Mitte siehst du Gelb, Blau und Rot. Sie sind die so genannten Primärfarben. Mischt du Gelb und Blau entsteht Grün. Mischt du Blau und Gelb entsteht Lila und Gelb und Rot ergeben Orange….spätestens jetzt kommen die Erinnerungen aus der Schulzeit sicherlich wieder. Lila, Grün und Orange sind die so genannten Sekundärfarben. Aus Grund- und Sekundärfarben entstehen Tertiärfarben, die du zusätzlich in dem äußersten Kreis aufgereiht siehst.

Wenn du genau hinschaust, fällt dir vielleicht auf, dass drei wichtige “Farben” fehlen: Schwarz, Weiß und Grau. Sie gehören zu den unbunten Farben, da sie weder einen bestimmten Farbton noch eine Sättigung aufweisen. Unbunte Farben unterscheiden sich in ihrer Helligkeit voneinander. Die Stufen zwischen Weiß und Schwarz sind also diverse Graustufen.

Betrachten wir diesen Kreis nun vor dem Gesichtspunkt der Farbharmonie, gibt es ein paar wichtige Bausteine, die wir dir nun nach und nach vorstellen. Bitte beachte dabei aber, dass nichts von dem abschließend ist. Unser Ziel ist es, vor allem die Aspekte hervorzuheben, die uns immer wieder helfen, unsere Bilder harmonisch und ansprechend zu gestalten und von denen wir denken, dass sie auch deine Toolbox für die Food Fotografie sinnvoll ergänzen. Zu jedem Punkt und natürlich auch darüber hinaus, kannst du bei Interesse noch einmal weiter recherchieren und die Themen weiter vertiefen.

1) Komplementärfarben

Starten wir einmal mit den Komplementärfarben. Sie sind ein absoluter Klassiker und das Wort ist dir wahrscheinlich vertraut. Was also sind Komplementärfarben? Sie liegen sich im Farbkreis genau gegenüber. Bei Komplementärfarben gibt es die Paare: a) Rot und Grün, b) Orange und Blau und c) Gelb und Lila.

Es hilft sehr, diese Farbenpaare zu kennen. Durch ihren hohen Kontrast verstärken sie sich gegenseitig. Man könnte fast sagen, dass sie sich gegenseitig zum Leuchten bringen. Was wir damit meinen siehst du in unserem Beispiel vom Erdbeer-Bananen-Brot unten. Hier haben wir einmal das Grün der Erdbeeren im Bild belassen und einmal entfernt. Siehst du wie unterschiedlich sie wirken und wie sehr das Grün das leuchtende Rot unterstreicht?

Tipp: Wenn du dir unsicher bist, welche Farben du kombinieren kannst, bietet es sich an, auf komplementäre Farben zurückzugreifen. Sie wirken quasi immer!

Erdbeer-Bananen-Brot Komplementärfarben

Erdbeer-Bananen-Brot Komplementärfarben unvollständig

2) Monochromatische Farben

Monochromatisch bedeutet “übersetzt” einfarbig. Hierbei geht es also darum, genau eine Farbe aus dem Farbkreis im Bild zu integrieren. Diesen Effekt sieht man nach unserer Beobachtung relativ selten. Was fast ein wenig schade ist, da er eine unglaublich eindrucksvolle Wirkung erzielen kann. Monochromatische Bilder wirken ruhig und irgendwie emotional sehr stabil. Auf uns üben sie manchmal eine Faszination aus, die es schwer macht, sich von solchen Bildern loszureißen. Zusätzlich lässt sich in solchen Bildern wunderbar mit Helligkeit und der Sättigung spielen, um echte Varianzen zu erzielen. Ein Beispiel für eine monochromatische Bildgestaltung haben wir dir unten eingefügt.

Tipp: Monochromatische Bilder lassen sich einfach gestalten, da du nicht darauf achten musst, ob und wie die Farben zusammenpassen. Um aber dennoch Spannung zu erzeugen, spielt die Bildkomposition, Helligkeit, Sättigung und auch das Spiel mit Schatten eine wichtige Rolle.

3) Ähnliche Farben

Ähnliche Farben grenzen im Farbkreis aneinander an. Sie kommen aus dem gleichen Farbumfeld. In Summe geben sie dir ein wenig mehr Varianz als eine rein monochromatische Farbgestaltung. Die Wirkung ist aber ähnlich. Auch hier ist das Bild eher ruhiger und sehr harmonisch. Zur Verdeutlichung haben wir auch hierfür untenstehend ein paar Bilder für dich. Hier kannst du sehr schön erkennen, wie Rot- und Orangetöne miteinander harmonieren und sich ergänzen. In Summe lebt das Bild von seiner Komposition. Denn die Fülle der Zutaten wird durch die ähnlichen und zugleich unterschiedlichen Farben unterstützt.

Am Bild der Chilis und Tomaten siehst du, wie schwierig es ist, mit dem bloßen Auge zu erkennen, ob es sich nun um ein monochromatisches Bild handelt oder um eins mit ähnlichen Farben. Der Übergang ist hier für den Betrachter ggf. fließend. Wichtig ist aber, dass du siehst, welche Wirkung der Effekt haben kann.

Tipp: Wenn du ein wenig mehr Leben in dein Bild bringen, es aber gleichzeitig “einfarbig” halten möchtest, dann wähle ähnliche Farben, die im Farbkreis aus der gleichen Kategorie aneinander angrenzen. Zusätzliche Varianz erhältst du auch hier durch das Spiel mit Helligkeit und Dunkelheit.

4) Teilkomplementär und mehr als zwei

Kommen wir noch einmal auf die Komplementärfarben zurück. Sie liegen sich wie beschrieben im Farbkreis direkt gegenüber. Bei Teilkomplementären Farben nimmst du einfach eine dritte Farbe hinzu, die im Farbkreis direkt an den komplementären Partner angrenzt. In unserem Farbkreis ganz oben wären das bei dem Paar Grün und Rot die Farben “Hellgrün” und “Hellblau” auf der grünen Seite. Du würdest also z.B. Rot und Hellgrün sowie Hellblau wählen, um ein wenig mehr Varianz in den Farben und dennoch den Effekt einer komplementären Farbauswahl zu haben.

Und damit du siehst, was wir meinen, haben wir einmal drei aufeinander aufbauende Beispiele für dich. Im ersten Bild siehst du eine monochromatische Variante einer grünen Gemüsebowl. Es ist ausschließlich die Farbe Grün in unterschiedlichen Helligkeitsstufen vorhanden. Das zweite Bild wird durch einen roten Farbtupfer - der Erdbeervinaigrette - ergänzt. Hier haben wir also wieder die Komplementärfarben Grün und Rot. Im dritten Bild haben wir als dritte Farbe das Blau in den Fliesen einfließen lassen. Jetzt sprechen wir von teilkomplementär.

Tipp: Lass die Bilder einfach einmal auf dich wirken und überlege, welche Emotionen, Ideen und Gedanken sie wecken. Ist ihr Effekt unterschiedlich? Wenn ja, worin liegen die Unterschiede.

5) Sättigung und Helligkeit

Wir haben es oben immer einmal einfließen lassen. Da der Aspekt jedoch wichtig ist, gehört er in dieser Reihe auch noch einmal separat genannt. Bei allen Farben kannst du sowohl mit der Helligkeit als auch mit der Sättigung spielen. Hierbei ist zu beachten, dass die Sättigung die Grautöne beschreibt und die Helligkeit die Stufen zwischen Weiß und Schwarz. Ist eine Farbe also maximal hell, ist sie weiß. Bei maximaler Dunkelheit sprechen wir von Schwarz.

Die Sättigung wiederum bezieht sich auf die Graustufen in einer Farbe. Nimmt man Sättigung aus einer Farbe, wird sie quasi “grauer”. Für weitere Details zu dem Thema lohnt es sich sehr bei Wikipedia weiterzustöbern. Hier findest du auch tolle Ansichten und Beispiele.

Tipp: Um deinen Bildern nach und nach einen eigenen Stil zu geben, ist das Spiel mit Sättigung und Helligkeit bzw. Dunkelheit ein tolles Instrument. Am besten probierst du dich im Bildbearbeitungsprogramm einfach einmal aus. Schaust, welche Effekte die Bearbeitung in die eine oder andere Richtung hat, was dir gut gefällt und was zu dir und dem, was du ausdrücken möchtest, passt.

Erdbeereis mit mehr Sättigung

Erdbeereis mi weniger Sättigung

7) Sieben Farbkontraste nach Itten

Nun wird es noch einmal richtig spannend. Es geht um unterschiedliche Farbkontraste und zwar nach “Itten”. Wir nehmen direkt einmal vorweg, dass das Thema sehr umfangreiches ist, und dass es eigentlich noch einmal einen eigenen Blogartikel verdient hätte. Für dich haben wir hier einmal einen Abriss vorbereitet, der dir aber einen guten Einblick in die Theorie gibt. Wichtig ist zu wissen, das Itten folgende sieben Farbkontraste entwickelt hat:

  • Farbe-an-sich-Kontrast (oder auch Buntkontrast): In diesem Kontrast treffen mindestens drei reine Farben aufeinander. Sie liegen im Farbkreis möglichst weit voneinander entfernt. Der Effekt ist so, wie er sich anhört. Es wirkt bunt, fröhlich, lebendig. Jean Miro oder auch Franz Marc haben diesen Kontrast gerne benutzt. Wenn du dir einmal ihre Bilder ansiehst, dann findest du schöne Beispiele, die genau diese Fröhlichkeit wiedergeben.

  • Komplementärkontrast: Auch Komplementärfarben bilden einen Kontrast. Den Effekt und ihre Wirkungsweise haben wir oben stehend ausgeführt.

  • Hell-Dunkel Kontrast: Der Name spricht bereits für sich. Es geht darum zwei Farben miteinander zu kombinieren, von denen eine möglichst hell und die andere möglichst dunkel ist. Das beste Beispiel hierfür sind Schwarz und Weiß. Aber auch die Komplementärfarben Blau und Gelb bilden einen großen Kontrast, denn das helle Gelb leuchtet neben einem dunklen Blau um so mehr. (Im Vergleich: Rot und Grün weisen einen eher schwachen Kontrast auf). Kontraste lassen sich besonders gut für Schriften einsetzen und in der Fotografie wirken Schwarz und Weiß oftmals ein wenig mystisch.

  • Kalt-Warm-Kontrast: Kalte und Warme Farben ergeben ebenfalls tolle Kontraste. Kalte Farben wirken hierbei eher bläulicher. Denken wir einmal an Wasser oder auch den Himmel. Warme Farben haben eher rötliche Einfärbungen. Optisch wirken kühlere Farben in der Regel weiter entfernt, während wärmere Farben eher im Vordergrund stehen. Die Kombination weckt also Tiefe in einem Bild. Davon unabhängig wirkt der Kontrast sehr intensiv und ausdrucksstark.

  • Qualitäts- oder auch Sättigungskontrast: Versuche einmal eine stark gesättigte Farbe mit einer weniger gesättigten zu kombinieren. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass weniger gesättigte Farben einen höheren Grauanteil haben und umgangssprachlich etwas “schmutziger” wirken. Der Effekt kann aber ausgesprochen intensiv und beeindruckend sein. Die etwas gräulicheren Farben unterstützen und verstärken die reinen und lassen sie um so mehr leuchten.

  • Quantitätskontrast: Hierbei geht es darum, in welcher Verhältnismäßigkeit eine Farbe im Vergleich zu einer anderen eine Fläche einnimmt. In Kombination mit den zuvor beschriebenen Kontrasten wird der Quantitätskontrast besonders spannend. Nimm einmal den Hell-Dunkel-Kontrast. Wird der leuchtenden, hellen Farbe nun auch noch im Verhältnis zur dunklen Farbe viel Raum eingeräumt verliert die dunkle Farbe an Wirkung und verschwindet quasi vollkommen im Hintergrund. Daher ist es empfehlenswert darauf zu achten in welchem Mengenverhältnis du kalte und warme, hell und dunkle Farben etc. miteinander kombinierst.

  • Simultankontrast: Hierbei wird eine Farbe von ihrer Umgebungsfarbe beeinflusst. Das heißt konkret, dass eine Farbe sich in ihrer optischen Wahrnehmung etwas verändern kann, wenn sie in der Nähe einer anderen steht. Ein helles Grau neben viel leuchtendem Gelb wirkt ein wenig bläulich. In Kombination mit grün aber eher orange-rötlich. Es ist spannend sich diesen Effekt bewusst zu machen.

Tipp: Kontraste können einem Bild eine intensivere Wirkung verleihen. Abhängig vom jeweiligen Kontrast beleben sie Bilder, lassen sie mystisch wirken oder verändern sogar die Wahrnehmung der Farben ein wenig.

Fazit

Hast du dir einmal bewusst gemacht, wie Farben miteinander harmonieren bzw. wie sie aufeinander wirken, kann das bei deiner Bildgestaltung unglaublich hilfreich sein. Gerade am Anfang, wenn du noch nicht geübt bist und deine Auge evtl. noch nicht so geschult, hast du so weitere Bausteine in deinem Werkzeugkasten, mit denen du dir dein Leben erleichtern kannst. Wie immer ist es wichtig auch hier zu üben. Probier am besten einfach einmal die Wirkung unterschiedlicher Komplementärfarben aus. Ergänze sie dann durch weitere Farben. Spiele mit der Helligkeit und der Sättigung und schau auch einmal, wie die unterschiedlichen Kontrastwelten wirken. So wirst du schnell lernen, wie du die unterschiedlichen Stilmittel einsetzen kannst. Zu guter Letzt hilft dir das Verständnis der Farbenlehre auch dabei, deinen eigenen Stil zu finden, auszubauen, weiterzuentwickeln.

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