Bestsellerautorin Sarah Schocke über das Kochbuchschreiben

Sarah Schocke (M. Sc.) Ökotrophologin, arbeitete mehrere Jahre als Redakteurin für einen führenden deutschen Ratgeberverlag, bevor sie sich als Fachjournalistin und Buchautorin mit dem Schwerpunkt Ernährung und Genussküche selbstständig machte. Die Bestsellerautorin engagiert sich im Ernährungsrat Frankfurt und bloggt gemeinsam mit Alexander Dölle unter www.ganzundgarsaisonal.de / @familien_essen

Gemeinsam mit Alexander hat sie in den letzten 7 Jahren bereits 25 Kochbücher unter eigenem Namen geschrieben und veröffentlicht. Im Gespräch mit uns, gibt sie Einblicke in das Leben einer Kochbuchautorin, die Zusammenarbeit mit Verlagen und Tipps, wie sich der Traum vom eigenen Kochbuch verwirklichen lässt.

1.    Wie bist du ans Kochbuchschreiben gekommen und wie hat es sich angefühlt, als du damals dein erstes selbst geschriebenes Buch gedruckt in den Händen gehalten hast?

Ich habe nach meinem Abschluss mein Volontariat beim Gräfe und Unzer Verlag gemacht und mich dort um das Thema gesunde Ernährung gekümmert. Ich habe Buchprojekte konzipiert und geleitet, Themen recherchiert und Autoren betreut. Die Liebe hat mich dann nach Frankfurt geführt, von wo aus ich für den Verlag weiterhin zunächst als externe Redakteurin gearbeitet habe. Dann hat mich mein damaliger Chef gefragt, ob ich nicht Lust hätte selbst mal ein Buch zu schreiben. Es war ein kleiner Ratgeber zum Thema Laktoseintoleranz mit wenigen, unbebilderten Rezepten. Das war der Anstoß für meine Leidenschaft als Buchautorin. Für diese großartige Chance bin ich heute noch immer sehr dankbar. Es war ein grandioses Gefühl, dieses Mini-Buch in den Händen zu halten. Ich war so stolz und habe es allen gezeigt. Dieses Gefühl, etwas geschaffen zu haben, was anderen hilft, sie inspiriert und ihr Leben erleichtert und bereichert, treibt mich heute immer noch dazu an gute, besondere Bücher zu erschaffen.

2.    An welchem Projekt arbeitest du gerade? Und welches war bisher dein Lieblingsprojekt und warum?

Momentan habe ich gerade das Buch „Zuckerfrei für Kinder“ abgeschlossen. Da geht es darum, wie man Kindern einen maßvollen Umgang mit Süßigkeiten beibringt. Leckere Rezepte dürfen da natürlich nicht fehlen 😊 Mein Lieblingsprojekt ist immer das, an dem ich gerade arbeite, da in jedem unserer Bücher Leidenschaft steckt. Eines sticht jedoch heraus: Familienküchenglück. Da geben wir nicht nur tolle Familienrezepte preis, sondern auch persönliche Einblicke in unser Familienleben – in Bildern und Worten. Zudem ist das Buch liebevoll fotografiert und begleitet von den schönen Stempelmotiven der Manufaktur Perlenfischer. Das macht das zu einem inspirierenden Familienkochbuch, in das nicht nur wir, sondern alle Beteiligten sehr viel Engagement und Liebe gesteckt haben.

3.    Was reizt dich am Schreiben von Kochbüchern?

Ich wollte immer Journalistin werden. Die Prestige-Magazine erschienen mir jedoch unerreichbar weit weg, so dass ich mich für einen Quereinstieg als Fachjournalistin im Ernährungsbereich entschied. Dass ich dann beim Büchermachen gelandet bin, war ein schöner Zufall, aber nicht geplant. Da ich immer schon sehr gerne Bücher gelesen habe, ist es für mich wahnsinnig toll, jetzt welche machen zu dürfen. Ich finde es schön, etwas Bleibendes zu schaffen. Angefangen habe ich mit klassischen Ernährungsratgebern, habe aber schnell gemerkt, dass mir Kochbücher viel mehr Spaß machen. Ich freue mich immer, wenn ich Menschen durch meine Kochbücher dazu inspiriere, selbst zu kochen oder Neues auszuprobieren.

4.    Was inspiriert dich und wie entstehen neue Ideen für Buchkonzepte?

Mich inspirieren ganz unterschiedliche Dinge: Gespräche mit Freunden, Unterhaltungen von Fremden, Bilder etwa auf Instagram, Pinterest oder in Zeitschriften aber auch andere Kochbücher, vor allem aus dem Ausland. Restaurants sind auch Inspirationsquelle für mich, genau wie Trendreports oder Fachberichte. Aber die wichtigste Inspirationsquelle ist das, was Alex und ich aus uns selbst schöpfen. Alle diese Quellen lassen wir über kurze oder auch mal längere Zeit auf uns einwirken und entwickeln daraus dann neue Kochbuchideen. In der Regel prüfen wir immer: Ist das für unseren Alltag relevant? Hilft uns das? Und: haben wir da Lust drauf? Wenn diese Kriterien erfüllt sind, machen wir neue Konzepte. Es gibt auch Ideen, die sind gut, reichen aber nicht für ein Buchkonzept, weil sie nicht für die Langstrecke gedacht sind. Das bedeutet, es lässt sich damit kein ganzes Buch füllen. Dann verabschieden wir uns von den Ideen oder setzen sie auf unserem Blog um.

5.    Wie läuft eine typische Kochbuchproduktion ab?

Die typische Kochbuchproduktion gibt es eigentlich gar nicht. Abhängig vom Verlag und der eigenen Erfahrung kann eine Produktion sehr unterschiedlich ablaufen. Manche Verlage nehmen gerade junge Autoren sehr gut an die Hand. Die Abstimmung zu ausgewählten Rezepten und dem Gesamtkonzept ist dann sehr eng, was, wenn man noch nicht weiß, wie der Hase läuft, sehr hilfreich ist. Andere, vor allem größere Verlage, stimmen einmalig das Konzept ab und ab da geht es ins selbstständige Arbeiten bis zur Abgabe.

Bei allen gleich ist natürlich das Fixieren von Deadlines zur Abgabe von Rezepten und Texten und ggf. Fotos, wenn die vom Autor mitproduziert werden.

Egal welches Format gelebt wird, spielt aber die eigene Selbstdisziplin eine große Rolle und man sollte sich die Zeit sehr gut einteilen und vom Abgabezeitpunkt zurückrechnen, wie viele Rezepte man am Tag schaffen muss, um am Ende nicht doch noch die Deadline zu reißen.

6.    Welche Dinge sollte man auf jeden Fall beim Schreiben von Kochbüchern beachten?

Für das Schreiben von Kochbüchern gilt das gleiche wie für Produkte oder Dienstleistungen generell. Im Idealfall adressiert das Buch eine klar definierte Zielgruppe, das Konzept hat einen auf den ersten Blick erkennbaren roten Faden und einen Mehrwert für den Leser. Das können gesundheitliche Aspekte sein, der Leser lernt etwas Neues oder hat genussvolle Inspiration etc. Wichtig ist natürlich auch die Bildsprache. Heute leben Kochbücher sehr stark von ihrer Ästhetik. Leser wünschen sich zu den Rezepten Bilder, die Appetit machen. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, stehen die Chancen gut, zunächst einen Verlag und eine breitere Leserschaft zu finden. Sobald es ans Schreiben geht, sollte man darauf achten, jeden Mini-Schritt aufzuschreiben. Menschen, die gut und oft kochen, vergessen Dinge zu erwähnen, die für sie ganz selbstverständlich sind: Knoblauch schälen, Zucchini waschen. Allerdings geht man immer davon aus, dass Leute das Rezept nachkochen, die nicht so oft kochen und die schälen dann den Knoblauch ggf. nicht. Auch wichtig: alle Zeiten notieren und für wie viele Portionen das Rezept reicht. Außerdem sollte man sich bei jedem Rezept fragen: Ist das die beste Rezeptur? Kann ich sie vielleicht verschlanken (keiner kauft gerne 30 verschiedene Zutaten für ein einziges Rezept ein)? Sind die Zutaten ideal aufeinander abgestimmt? Wenn ich etwa einen Kuchenteig mit gemahlenen Haselnüssen zubereite, dann schmeiße ich in der Regel keine Walnüsse obendrauf, sondern Haselnüsse. Und wenn ich ein Rezept mit Sojamilch mache, dann setze ich das vegan um, sonst hat das für mich keinen Mehrwert, dann kann ich auch eine normale Milch nehmen. 

7.    Wie näherst du dich als Ernährungswissenschaftlerin der Rezeptentwicklung? Welche Aspekte sind dir hier besonders wichtig und wie sehr hilft dir dein ernährungswissenschaftlicher Hintergrund?

Wie oft habe ich schon gehört: Ach, du hast Kochen und Backen studiert? Ganz ehrlich – es gab nur einen Kurs in dem man wirklich Kochen durfte: Angewandte Diätetik. Und der war so beliebt, dass ich, neben vielen anderen, keinen Platz bekommen habe. Kochen habe ich also nicht studiert. Das hat mir meine Mama beigebracht und zusammen mit Alex habe ich das weiterentwickelt. Meine Mama war übrigens sehr erfolgreich im „Kochen Beibringen“, mein Bruder ist nämlich Koch geworden. Das diese Fertigkeit heute verloren geht, weil viele keine Zeit oder keine Lust mehr zum Kochen haben, treibt mich bei meiner Arbeit an. Ich wünsche mir, dass sich durch meine Bücher die Menschen wieder trauen, selbst zu kochen und entsprechend selbst bestimmen zu können, was in ihrem Essen drin ist. Denn als Ernährungswissenschaftler achte ich besonders darauf, was sich in Fertigprodukten versteckt. Bei meinen eigenen Rezepten versuche ich ausgewogen zu kochen. Das bedeutet, dass ich in der Regel Zucker, Salz und Fett reduziere. Ich koche deswegen aber nicht immer nur healthfood. Ich frittiere auch mal Donuts oder mache gebrannte Mandeln. Das alles gehört zum schönen Leben dazu, nur die Mischung muss stimmen. Das versuche ich in meinen Büchern zu vermitteln.

8.    In welche Richtung bewegt sich aus deiner Sicht aktuell die Verlagsbranche? Welche Trends bilden sich ab?

Die Verlagsbranche wird immer schnelllebiger. Buchprojekte werden deutlich kurzfristiger entwickelt und umgesetzt. Auch das Umfeld der Autoren hat sich sehr stark verändert. Heute findet man neben erfahrenen Autoren viele Blogger, die von den Verlagen engagiert werden. Die Verlage legen heute in der Regel Wert darauf, dass Autoren ihre eigene Reichweite mitbringen und ihre Bücher zusätzlich selbst vermarkten. Die Digitalisierung spielt ebenfalls eine große Rolle. Die Menschen wollen immer weniger gedruckte Bücher, dafür „intelligente“ ebooks, also solche, die eine Einkaufsliste aufs Handy liefern und die Rezepte nicht nur als Bild, sondern auch als Video zeigen. Ich kann mir auch eine Vernetzung unter den Menschen vorstellen, die aus dem gleichen Buch kochen und ihre Erfahrungen mit dem Rezept teilen, ähnlich wie bei Chefkoch.

9.    Welche Top drei Punkte würdest du angehenden Kochbuchautoren mit auf den Weg geben?

Kochbuchprojekte sind absolute Leidenschaftsprojekte. Die Phasen des Probekochens und der Rezeptentwicklung können abhängig von der Zeitschiene aufreibend sein und es kommt durchaus vor, dass auch einmal über den Hunger hinaus gekocht werden muss. In solchen Fällen freuen sich immer unsere Nachbarn (lacht). Aber im Ernst, das kann dann auch schon einmal unangenehm sein und trotzdem muss jedes Rezept sitzen.

Hinzukommt, dass der Kochbuchmarkt sehr hart umkämpft ist. Die Chancen, von einer Veröffentlichung leben zu können, sind also recht klein. Das wird manchmal, gerade von jungen Autoren, die vielleicht ihre erste Anfrage erhalten, ein wenig unterschätzt. Aber wer mit Leidenschaft kocht und schreibt und gerne konzeptionell denkt, dem werden solche Projekte viel Spaß machen.

Ein weiterer Punkt ist sicherlich auch das kaufmännische hinter all diesen Projekten. Eine Kochbuchproduktion ist inkl. Einkaufen aller Zutaten und der Zeit, die in die Entwicklung von Rezepten investiert wird, oftmals teurer als man initial meinen würde.

Und zu guter Letzt gilt natürlich auch hier, wie bei vielen anderen Dingen: Wenn du eine Idee hast und sie gerne umsetzen möchtest, musst du dranbleiben. D.h. der Versand von einem Konzept an einen Verlag reicht nicht aus. Sondern ab Versand heißt es anrufen, bei dem Kontakt per E-Mail nachfragen und das möglichst breit gestreut bei unterschiedlichen Verlagen. Nur so erhöhen sich die eigenen Chancen auf eine Veröffentlichung. Such dir die Verlage gut aus. Viele haben unterschiedliche Schwerpunkte. Schau dir am besten die Programme an und überleg, wo dein Thema reinpassen könnte. Ein wichtiger Punkt ist klar rüberzubringen, wie sich deine Idee von bereits bestehenden Büchern zum Thema abhebt.

Wenn du dein Konzept, das auf maximal eine Seite passen sollte, fertig hast, überlege dir, wie du dich von der Masse abhebst. E-Mails von Leuten, die gerne mal ein Buch schreiben wollen, kommen zu Tausenden im Verlag an – und gehen leicht unter. Überlege dir, was deine Idee besonders macht und wie du dich abheben könntest.

10.  Und in welche Richtung wird es für euch und euren Blog www.ganzundgarsaisonal.de weiter gehen?

Unser Blog wird in der nächsten Zeit fleißig umgebaut. Wir werden einen neuen Namen haben – „Familien Essen“. „Ganz und gar saisonal“ haben wir vor 4 Jahren gestartet. Da hatten wir ein 1jähriges Kind, dem wir gut verkaufen konnten, dass es im Winter nur Rüben, Bete und Kohl gibt. Heute haben wir zwei Kindergartenkinder, die am liebsten nur Gurken und Tomaten wollen. Saisonal zu essen ist uns immer noch ein Anliegen, es lässt sich aber als Familie schwer durchziehen, da die Einflüsse von außen auf unsere Kinder sehr stark sind. Zudem fehlt uns die Zeit zum Gärtnern, andere können das Thema mittlerweile viel professioneller bedienen als wir. Aber: Wir sind Experten für gesunde, einfache Familienernährung. Wir geben dazu Workshops, wir bekommen dazu viele Fragen und wir kennen den Alltag von berufstätigen Eltern mit kleinen Kindern sehr gut. Daher haben wir uns entschieden unseren Blog auf diese Themen hin auszurichten. Wir freuen uns darauf und auf alles was noch kommt.

Danke, Sarah, für das spannende Gespräch. Wir wünschen dir und Alex ganz viel Erfolg bei euren weiteren Plänen!